Zur Zeit der ersten Welle der Coronapandemie schien die “Klimaszene” z.T. geradezu elektritisiert zu sein von ihren (möglichen) Auswirkungen. Das liegt zum einen daran, dass durch die Auswirkungen der weltweite CO2-Ausstoß drastisch zurück ging. (Bisher sind wirtschaftliche Rezessionen eben noch immer das bei weitem wirksamste Mittel, Treibhausgasemissionen – zumindest kurzfristig – zu reduzieren.) Zum anderen ist die Coronapandemie ein Präzedenzfall dafür wie versucht wird, eine globale Krise durch drastische, nahezu weltweite und vorher für nicht möglich gehaltene Maßnahmen bekämpft wird, im Prinzip also genau das, was sich viele Klimaaktivist*innen für die Klimakrise auch erträumen. Dass ähnlich drastische Mittel im Bereich der gesetzlichen Regulierungen/Verbote im Hinblick auf das Klima durch die Coronapandemie nun wahrscheinlicher werden, erscheint (zumindest mir) aber eher unwahrscheinlich, da sich die (wahrgenommene) Dringlichkeit der Klimakrise dadurch nicht geändert hat.

Die Pandemie hat das Verhalten vieler Menschen geändert, z.T. durchaus in einer klimafreundlichen Weise (wie zum Beispiel durch weniger Reisen). Damit solche Verhaltensänderungen aber auch über die Pandemie hinaus einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Klimas haben könnten, muss man einerseits annehmen, dass diese auch bei einer Rückkehr zur „Normalität“ Bestand haben, und zum anderen und noch weitergehend davon überzeugt sein, dass man der Klimakrise durch individuelle (Konsum-)Entscheidungen begegnen kann.

Was aber könnten Folgen der Pandemie sein, die über solche (mehr oder weniger langfristigen) individuellen Verhaltensänderungen hinaus gehen und für die Bewahrung der Erde als lebensfreundlicher Umgebung für die Menschheit relevant sind? In beiden Fällen geht es darum, systemische Risiken in komplexen Systeme zu kontrollieren bzw. die Resilienz dieser Systeme zu erhöhen. Die Pandemie hat sicherlich vielen Menschen verdeutlicht, in was für einer global hochvernetzen Welt wir leben, in der die kollektiven Abhängigkeiten das Leben der Einzelnen entscheidend prägen. Welche grundsätzlichen Mechanismen, Institutionen und Praktiken braucht es, um den sich daraus ergebenden Risiken erfolgreich zu begegnen? Könnte es sein, dass es hier aus der aktuellen Pandemie auch etwas für die Herausforderungen anderer systemischer Krisen, wie dem Klimawandel (aber auch beispielsweise Krisen des Finanzsystems) lernen lässt?

Gesine Steudle, 11.11.2020