Ist es in Hesses “Steppenwolf” so, oder verwechsele ich es mit Heinrich Manns “Empfang bei der Welt”? Jedenfalls fiel mir die Szene mit dem einsamen Protagonisten in unwirtlicher Gegend ein, dem sich eine Tür in der dunklen Mauer, an der er entlangging, öffnete, hinter der in unversehens ein Fest erwartete.

Ich marschierte in dichtem Regen von der U-Bahstation Reinickendorfer Straße die Müllerstraße im Wedding entlang. Nach hundert Metern traf ich auf ein Schild und einige Leute in Regenmänteln, die mich ein Stück die Panke flußaufwärts wiesen. Eine lange Reihe von Mercedeslimousinen fuhr auf, - wie früher zu den Empfängen in Delhi oder Taschkent -. denen muntere ältere Herrschaften entstiegen; die Stadt hatte ihnen die Fahrt mit dem Taxi spendiert. Da war ich schon drin in einer riesigen hell erleuchteten, von fröhlichen jungen Menschen wimmelnden Halle, – eigentlich ein Eisportstadion – und wurde von der großen Menge der Gastgeber und Gastgeberinnen mit freundlichen Worten hierhin und dorthin geleitet. Es klang wie Musik. Blicke und Hände gaben mich lückenlos von einem zur anderen weiter, wie getragen. Aus Gesichtern aller Hautfarben, sogar aus Bundeswehruniformen, wurde ich angelächelt und sorgsam auf Unebenheiten im Fußbodens aufmerksam gemacht; die hinabgefallene Tasche wurde mir zugereicht, bevor sie noch zu meinen Füßen angekommen war. Ob ich etwas trinken wolle, wie es mir gehe, wurde ich gefragt, ob man mir für den Rückweg ein Taxi bestelle dürfe und ob ich Links- oder Rechtshänder sei. Irgendwann zwischendurch muß ich den Pieks in den linken Oberarm bekommen haben. Ich habe es nicht bemerkt. Da gab mir der Arzt in der durch Zeltbahnen abgetrennten kleinen Kabine auch schon mit guten Wünschen zum Wochende meinen mit sicherer Hand ausgefüllten Impfausweis zurück. Sein Assistant reichte mit den Mantel. Ein Vertrauen erweckendes Schwarzgesicht geleitete mich in einen weiten Ruhebereich, in dem es allen Impfpatienten, soweit ich feststellen konnte, gut ging, und den ich bald wieder verließ. Den schwarzen Mann hätte ich auf alte Weise gern gefragt, wo er denn wohl herkäme, ließ es aber bleiben; die Antwort wäre möglicherweise “aus Berlin” gewesen. Ich bedachte die am Ausgang hängende, schon übervolle Spendenbox der AWO dankbar mit einem nicht zu großen Schein, und ging wieder hinaus in den Regen der Müllerstraße. Dabei fiel mir ein, daß es doch angemessen sein könnte, Berlins Regierendem Bürgermeister Müller ein Dankbillet zu schreiben für diesen festlichen Empfang in ansonsten eher trüben Zeiten.